Bin ich`s oder bin ich es nicht. Ich hatte ja so als Teenanger meine Problem mit der Innen- und der Außenwahrnehmung. Meine gute Freundin sagt mir, es sei alles okay mit mir. Das dachte ich bis jetzt ja auch. Aber ich war zu einem Ausscheid der Gymnastikjugend in einer Partnerstadt. Wir sind mit einem extra angemieteten Bus dorthin gefahren. Unser Trainer sagte, dass es toll werden würde, wir könnte so auch andere Vereine sehen und dagegen antreten. Ich hatte zuvor nie darüber nachgedacht, ob ich vielleicht nicht so gut sein könnte. Denn mir hatte es einfach Spaß gemacht zu trainieren und etwas aufzuführen in unserer Kleinstadt. Aber dies war jetzt Kreisstadt. Als wir ankamen wurden wir in einer Schule untergebracht. Die Trainingshalle sollten wir erst am nächsten Tag kennenlernen. Bevor wir zum Abendessen gingen, liefen wir durch die Stadt. Es war auch Andre dabei. Er hatte sich für die Meisterschaft qualifiziert im Turnen und wollte unbedingt zu schauen. Er war heute voll gut drauf. Macht einen Witz nach den anderen. Ich verstand schon, dass es bei ihm um nichts ging. Aber mich heiterten sein Humor nicht auf wie sonst. Ich fand mich in einer eigenartigen Stimmung wieder. Denn in der Schule sah ich Mädchen aus den anderen Teams. Sie hatten rote Lippen, trugen sehr enge Topps zu Leggins in Knöchelhohen Turnschuhen und waren mit ihrem Kinn und ihrer Brust etwas selbstbewusster beim Laufen vorgetreten. Das beschäftigte mich. Wie so verglich ich mich mit ihnen und fühlte mich in meinem Hoodie und Trainingshose plötzlich zu dick. Sarah meine Trainingspartnerin lachte wie immer. Und ich fragte mich, wieso ging es ihr nicht genauso. Beim Frühstück konnte ich nichts essen, denn mir war schlecht. War es etwa Lampenfieber oder Angst. Ich ging trotzdem zum Buffet und nahm mir Obst und Tee mit. Ich hatte noch Vitamin B12 dabei, weil ich kein Fleisch esse. Als ich zurückging, traf ich die roten Lippen wieder. Ich wollte nicht allzu ängstlich schauen, also ignorierte ich. Was nicht meine Art ist, weil es arrogant auf andere wirken kann. Aber plötzlich musste ich selbst über mich lachen. Denn ich erinnerte mich, wie mir mein Freund bei einem Wettkampf zu geschaut hat und ganz begeistert war, wie gut ich mich bewegen kann. Ich schrieb ihm über Tee und Obst eine Nachricht und alles es wenig später Pling machte, fühlte ich wie ich mich wieder rauszog aus dem Vergleichsloch. Mir ist es nie sehr um den Wettkampf gegangen. Ich wollte eigentlich mich nur gut dabei fühlen. Und das würde ich nur können, wenn ich die anderen nicht als Konkurrenz ansehe. Sie machen ihr Ding und ich mach mein Ding. Als eines der Mädchen mit ihrer Aufführung fertig war, ihr Rot auf den Lippen war immer noch schön, schaute sie kurz zu mir und ich nickte ihr anerkennend zu. Denn sie hatte sich wie ein bewegliches Blatt im Herbstwind über die Matte bewegt und geschmeidig ihren Körper zur Musik bewegt mal anmutig und dann kräftig provozierend. Ich war dran. Ich tanzte zum Lied „Like a Vampir“ über die Verwandlung vom Tod und dass es keine Unsterblichkeit gibt. Das alles in meinem Körper pulsierte so endlich wie ein reißender Fluss der in einen Wasserfall stürzt. Ich war das Wasser selbst. Selbst in meine Finger spiegelte sich seine Bewegung wieder. Ich trat über die Ufer und riss alles nieder. Ich schmolz am Polarmeer und in den ….und setzte giftiges Methan frei. Und es gab zu wenig Platz für mich. Ich musste Dinge zerstören, die mir lieb waren, Inseln, Städte, Menschen, Tiere. Und ich schwoll an, bis ich selbst nicht mehr konnte. Denn es gab jetzt nur noch mich. Und das war nicht genug. Denn ich war allein. Es war ganz still im Raum. Die Zuschauer waren leise und berührt. Mein Knoten im Haar hatte sich leicht gelöst. Eine Strähne hing mir im Gesicht. Der Atmen lief die Rippen entlang und bebte sich schön auf. Meine Taille fühlte sich ganz nah bei mir an. Und meine Gesichtshaut war Ebenholz weiß vor Erregung mit geröteten Wangen. Ich ließ mich nicht von der Stille irritieren. Denn mein Körper fühlte sich richtig an. Das was ich getan hatte, fühlte sich richtig an. Und da sah ich Andre. Sein vertrautes Gesicht. Er war so verzückt in meiner Richtung schauend, dass ich wusste, alles ist gut. Und ich ging von der Bühne. Obwohl niemand klatschte. Denn es war nicht schön, den eigenen Untergang zu sehen. Und das war okay so. Und später traf ich sie wieder, ich lachte in die Runde. Da traf ich ihren Blick. Es war Bewunderung in ihren Augen, denn sie hatte sich versunken in mich. und ich konnte sie beobachten. Und als sie es sah, schaute sie erst erschrocken. Aber ich lachte ihr zu. Und sie lachte zurück.